Organisationsformen und Finanzierungsmodelle

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Diese Seite gliedert sich in die folgenden Abschnitte: Zunächst werden die relevanten Kostenfaktoren identifiziert. Anschließend werden gängige Finanzierungsmodelle beschrieben und im Hinblick auf die Nachhaltigkeit diskutiert. Das Kapitel schließt mit der Darstellung einer Modellrechnung, die ein Kalkulationsschema für VREs vorschlägt.

Kostenfaktoren

Um sich einen Überblick über die wichtigsten Kostenfaktoren einer VRE zu verschaffen, werden diese zunächst kategorisiert und beschrieben. Die relevanten Kostenfaktoren können auf sehr unterschiedliche Weise gruppiert werden: Neben der Einteilung nach den Lebensphasen (vgl. Kapitel 4 Lebensphasen einer Virtuellen Forschungsumgebung), bietet sich eine Einteilung nach Kostenarten an. Im Rahmen dieser Ausarbeitung wird die folgende Einteilung vorgenommen:

  • Kapitalaufbringung vor Gründung (Vorgründungskosten, Gebühren und ggf. Einlagen)
  • Personalkosten
  • Betriebskosten außer Personal
  • Sachkosten
  • Investitionen.

Wenn eine VRE eine eigene, von übergeordneten Instituten oder Universitäten unabhängige Rechtsform bekommen soll, muss Kapital zur Gründung aufgebracht werden. Die unabhängige Rechtsform kann etwa durch die Gründung einer Gesellschaft, einer Genossenschaft, einer Stiftung oder eines Vereins erreicht werden. Vor der Gründung entstehen Personalaufwendungen, sogenannte Vorgründungskosten. Sie sind die einzigen Kosten im betriebswirtschaftlichen Sinne. Es ist möglich, dass seitens der beteiligten Institutionen Einlagen bereitgestellt werden müssen. Diese hängen von der gewählten Rechtsform ab. Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) erfordert beispielsweise in der Regel ein Mindeststammkapital von 25.000€. Die Gründung einer institutsunabhängigen Organisation hat den Vorteil, dass die VRE eine eigene Rechtsform erhalten kann und so das Schließen von Verträgen (etwa mit Dienstleistern zur Bereitstellung von Infrastruktur) erleichtert wird. Zum anderen kann die VRE über die Organisation an zentraler Stelle verwaltet und so die Abrechnung der Kosten erheblich vereinfacht werden. Neben den Vorgründungskosten und den Einlagen entstehen Verwaltungsgebühren, etwa für die Anmeldung eines Vereins oder einer GmbH.

Die Personalkosten stellen für die meisten der VREs, die im Rahmen der Expertengespräche befragten wurden, den mit Abstand größten Kostenfaktor dar. Er kann bis zu 80% der Gesamtausgaben bilden. Dabei umfassen die sogenannten direkten Personalkosten die Gehälter der Mitarbeiter, etwa für die Entwicklung, den technischen Betrieb sowie den Support der Nutzer. Darüber hinaus entstehen Verwaltungskosten für das Personal (indirekte Personalkosten).

Über das Personal hinaus umfassen die Betriebskosten die Bewirtschaftungskosten für die technische Infrastruktur. Hierunter fallen beispielsweise die Kosten für Strom, die Kälteversorgung bei größeren Rechneranlagen sowie Aufwendungen für die Gebäudenutzung (z.B. Instandhaltung und Miete). In diese Kategorie fällt ebenfalls die für den Betrieb erforderliche Hardware, etwa für die Netzwerkinfrastruktur (einschließlich Bandbreite) und den Datenspeicher.

Eine weitere Kostenart machen die Sachkosten aus. Beispiele hierfür sind Mittel für die Durchführung von Weiterbildungen und Workshops, Dienstreisen, Verbrauchsmaterial, Öffentlichkeitsarbeit sowie sonstige Fremdleistungskosten.

Die Investitionskosten entstehen, wenn eigens für die VRE Anschaffungen benötigt werden. Hierbei kann es sich beispielsweise um Hardware oder Softwarelizenzen handeln. Diese Kosten werden von den Betriebskosten abgegrenzt.

Im Falle, dass die VRE von einer öffentlichen Institution betrieben wird, die Fördergelder erhält, ist unter Umständen erforderlich, die Vollkostenrechnung beziehungsweise die Regelungen des EU-Gemeinschaftsrahmens (GemR) [EU-Gemeinschaftsrahmen 2006] umzusetzen. Der GemR greift immer dann, wenn eine Leistung, in diesem Fall die VRE, in den freien Markt eintritt und somit im Wettbewerb zu anderen (privaten) Institutionen steht oder stehen kann. Der GemR regelt, dass keine Wettbewerbsverzerrungen auftreten, wenn am Markt Leistungen angeboten werden. Da es sich um ein komplexes Themengebiet handelt, kann es erforderlich sein, VREs bzw. beteiligte Organisationen durch die Verwaltung der Hochschulen bei der Einhaltung dieser rechtlichen Vorgaben zu unterstützen.

Finanzierungsmodelle

Die Finanzierung der Aufbau- und Entwicklungsphase einer VRE und ihrer Betriebsphase sollte unabhängig voneinander betrachtet werden, da diese in der Regel aus unterschiedlichen Quellen finanziert werden. Viele VREs entstehen im Kontext geförderter Forschungsprojekte. Für diese direkte öffentliche Förderung wird in der Regel ein ausreichend großer Innovations- bzw. Entwicklungsanteil des Vorhabens gefordert.

Damit die VRE erfolgreich in den Betrieb übergehen kann, muss geklärt werden, welche Kosten (siehe Abschnitte Kostenfaktoren und Modellrechnung) in der Betriebsphase entstehen und wer für diese aufkommt. Sind mehrere Institutionen an der VRE beteiligt, gestaltet sich die Lösung dieser Frage schwieriger als bei einer einzelnen Institution.

Da während der Betriebsphase der Entwicklungsanteil geringer ist und daher die Finanzierung der VRE sich nicht mehr in den oben beschriebenen Förderstrukturen abbilden lässt, sind folgende Finanzierungsmodelle naheliegender:

  • Indirekte öffentliche Förderung
  • Finanzierung durch Beiträge
  • Direktes Nutzungsmodell
  • Ausgleich von Ressourcenverbrauch und Ressourcenbereitstellung

Eine indirekte öffentliche Förderung kann auf verschiedene Arten erfolgen: Eine bereits existierende, an einer VRE beteiligte Institution, kann den Status einer Leitinstitution erhalten. Sie erhält für den Betrieb der VRE eine Förderung und stellt diese den Wissenschaftlern anderer Institutionen zur Verfügung. Da hier eine öffentliche Förderung vorliegt, ist es wichtig die Vorgaben des EU-Gemeinschaftsrahmens einzuhalten. Dieses Modell geht von einer herausragenden Stellung der Leitinstitution aus. Alternativ kann eine durch Fördermittel finanzierte Trägerorganisation für die VRE gegründet werden, die ähnlich wie eine Leitinstitution agiert, aber als neutral anerkannt wird.

Eine weitere Form der indirekten öffentlichen Förderung ist, wenn Wissenschaftler oder Nutzercommunities Sachmittel für die zur Forschung notwendige Infrastruktur vom Fördergeber erhalten (eine sog. Infrastruktur-Pauschale). Diese Sachmittel können dann etwa durch Anwendung des direkten Nutzungsmodells oder des Beitragsmodells eingesetzt werden. Dadurch werden die Wissenschaftler an der Finanzierung einer VRE beteiligt. Wissenschaftler können gegebenenfalls direkten Einfluss auf die Entwicklung und den Betrieb der VRE nehmen, wenn diese als Verein oder Genossenschaft organisiert sind. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass Betreiber einer VRE an wissenschaftlichen Projekten beteiligt sind.

Beim direkten Nutzungsmodell wird auf Basis der tatsächlichen Nutzung abgerechnet. Die Wahl der Metrik für die Nutzung hängt hierbei von der individuellen VRE ab. Bei diesem Modell sind die Kosten variabel und daher für alle Beteiligten unter Umständen schwer kalkulierbar. Daraus resultiert eine verminderte Planungssicherheit. Außerdem ist die Einrichtung und Betreuung einer Accounting-Infrastruktur seitens der VRE erforderlich, die eine bedarfsgerechte Erfassung der notwendigen Daten zur Abrechnung ermöglicht. Beim Beitragsmodell zahlen Institutionen oder Nutzercommunities der VRE einen Pauschalbeitrag, welcher für einen bestimmten Zeitraum (z.B. ein Jahr) erhoben wird. Die Kalkulation dieser Beiträge erfolgt innerhalb eines Vereins oder einer Genossenschaft transparent. Die Beiträge werden so kalkuliert, dass unerwartete Aufwendungen (z.B. für defekte Hardware) abgedeckt werden können. Darüber hinaus können diese Mittel für eine Verbesserung und Weiterentwicklung der VRE verwendet werden. Diese Form der Finanzierung ist insbesondere für öffentliche Einrichtungen geeignet, da durch die Pauschalbeiträge eine gute Planbarkeit gewährleistet ist. Dieses Modell kann jedoch als unfair empfunden werden, da es unabhängig von der eigentlichen Nutzung kalkuliert wird. Die Anwendung des Beitragsmodells wurde beispielsweise beim DFN-Verein1 erfolgreich umgesetzt. Ein weiteres, in der Praxis jedoch kaum eingesetztes Finanzierungsmodell ist der Ausgleich von Ressourcenverbrauch und Ressourcenbereitstellung. Dabei ist jede Institution selbst für ihre Finanzierung verantwortlich, etwa durch Fördergelder, auf freiwilliger Basis oder sogenannte „In-kind contributions“. Dieses Modell reduziert zwar auch den organisatorischen Aufwand bei den beteiligten Institutionen, Ziel ist es jedoch, den Ressourcenverbrauch durch die VRE so zu steuern, dass dieser sich über die Zeit bei allen beteiligten Institutionen etwa in derselben Größenordnung bewegt. Dies setzt voraus, dass alle beteiligten Institutionen Ressourcen bereitstellen. In einer heterogenen Infrastruktur, bei der an unterschiedlichen Stellen verschiedene Dienste betrieben werden, ist es schwer, dies zu gewährleisten ohne die Funktionalität der VRE zu beeinträchtigen.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die nachhaltige Finanzierung von den Betreibern einer VRE als ein sensibles Thema angesehen wird. Nachhaltigkeit im Kontext von VREs bedeutet, die Dienste der VRE solange bereitzustellen, wie sie von den Nutzern gebraucht werden. Hierfür bietet sich die Entwicklung eines Geschäftsmodells an, welche die VRE als Produkt betrachtet. In diesem Zusammenhang muss jedoch erwähnt werden, dass unseres Wissens bisher keine VRE ein vollständiges Geschäftsmodell entwickelt hat. Daher existieren keine Erfahrungswerte für die Betriebskosten einer VRE. Aus den geführten Expertengesprächen hat sich jedoch ergeben, dass ein leicht verständliches Portfolio definiert werden sollte, welches die Anforderungen und Bedürfnisse der Kunden erfüllt und zudem eine gute Planbarkeit seitens der VRE-Entwickler und -Betreiber gewährleistet. Aus diesem Grund wird im Kontext der Finanzierung die Erhebung von pauschalen Beiträgen gegenüber einer nutzungsabhängigen Bepreisung bevorzugt.

Darüber hinaus wurde in den Expertengesprächen hervorgehoben, dass die erfolgreiche Umsetzung des Geschäftsmodells nur gewährleistet ist, wenn die VRE eine Nachfrage abdeckt beziehungsweise einen echten Mehrwert für die Nutzer bietet. VREs passen sich idealerweise an die sich verändernde Forschungslandschaft und die sich hieraus ergebenden Anforderungen an.